Mittwoch, 14. Dezember 2011

Indisch- deutsch- österreichische Freundschaft

Der Abend der uns viel Bestätigung brachte war der Montagabend. Wir trafen uns zum gemütlichen Abendessen mit Ranjitha. Es war schon „damals“ auf dem Oktoberfest Freundschaft auf den ersten Blick. Sie 24, Ingenieurin bei einer Raumfahrtgesellschaft, Inderin. Eigentlich war dieses Treffen schon nach Hong Kong geplant, nur leider hatte Jith noch einige Projekte zu erledigen und wir hatten ja nun auch einen recht vollen Plan die letzten Wochen. Wie dem auch sei, sie führte uns zum besten Italiener der Stadt. 
Wir plauderten über Hong Kong und unsere Erlebnisse auf Macau und kamen so zum Thema Europa. Das war genau das Richtige, weil unsere Inderin über Weihnachten und Neujahr meine Heimat bereist. Sie ist wirklich schon aufgeregt und erzählte uns, dass sie erst nach Paris fliegt und dann weiter nach München. Für Paris haben wir ja unsere Insiderin Bine dabei. Sie gab wertvolle Tipps für Verhaltensregeln, doe´s & don´ts und natürlich Sehenswürdigkeiten. So scherzten wir fröhlich über die Mona Lisa und machten ihr Europa schmackhaft. 
Für sie ist es ein Traum, denn sie ist bereits verlobt mit einem Deutschen, der auch der Grund dafür ist, dass sie gerade zu dieser Zeit fliegt. Und wo wir schon bei Träumen waren erzählte sie uns von ihren Plänen für die Zukunft. Den Master machen, Geld verdienen, nach Deutschland gehen. Das hört sich alles ganz normal an. Doch das ist es leider nicht in Malaysia. Die Uni, die sie besuchte hat nur wenige Plätze für Nicht- Malayen und die Kosten fürs Studium hat der Staat übernommen. Das war schon eine beträchtliche Summe. Auch in diesem Land ist es nicht wirklich landläufig, dass Frauen ein Ingenieurstudium machen und es auch abschließen. Ein Recht auf ein Auslandssemester hatte Jith nicht, denn das ist nur den Malay vorbehalten. Sie werden vom Staat gefördert, bekommen Geld für Flug, Unterkunft, Verpflegung. Das kann sich sonst niemand leisten. Und für sie war es ein Traum, den sie sich jetzt erfüllt auch wenn sie dafür sehr hart arbeiten muss und musste. Doch sie sieht Malaysia, wie wir, als eine Nation die zwar aufstrebend ist aber die ihre Vision - 2020 ein Industriestaat zu sein- nicht einhalten kann. Das liegt, nicht nur aus unserer Sicht, an den vielen Ungereimtheiten. Malaysia präsentiert sich nach Außen als offenes Land. Es akzeptiert alles Religionen, Völkergruppen und Einstellungen. Die Malay selber sind ein Volk, das den Aufschwung zwar will aber ihn nie aus eigener Kraft schaffen könnte. Die Einstellung eines Malay: „ Wenn ich es nicht kann, kann ich es nicht. Es wird ein anderer machen, der es kann.“ Die Nation wird gehalten vom Arbeitseifer der Chinesen, die vor allem in Penang sehr präsent sind und deren Geschäftigkeit auch weit über ihre eigenen Landesgrenzen sehr bekannt ist. Außerdem sind da noch die aufstrebenden und lernwilligen Inder. Sie sind oft in der Minderheit, gerade im Bildungssektor. So erzählte uns Jith, dass sie die einzige Inderin in ihrem Kurs auf der Uni war, was für sie nicht leicht war. 
Malaysia, dessen Amtssprachen Bahasa Malay und Englisch sind ist wirklich ein offenes Land. Es ist jeder willkommen und es hat grundsätzlich jeder das Recht auf Bildung. Dennoch hat es einen bitteren Nachgeschmack zu wissen, dass die Malay selber im Schul- und Universitätsbereich bevorzugt werden. So haben Malay- Studenten grundsätzlich einen anderen Notenschlüssel als chinesische oder indische Malay. Bumiputras heißt die bevorzugte Gruppe und wird vom Staat unterstützt. Wissentlich, dass das Bildungsniveau der Ureinwohner nicht auf dem höchsten Stand ist leben sie in dieser Gesellschaft und schlimm wie es ist gibt es in jeder Firma einen „Quoten Malay“ der hauptsächlich im Human Resource Management eingesetzt wird. Jitht´s Erfahrungen während des Studiums decken sich mit unseren. 
Die Malay sind eher schüchtern, was in Asien jetzt nicht wirklich was Besonderes ist. Sie quälen sich durch Kurse und schaffen es dank staatlicher Unterstützung und Notensystem mit einem guten Abschluss. Das gilt sicherlich nicht für alle. Was uns in unseren Monaten auf der Uni immer wieder auffällt ist, dass sie der englischen Sprache nicht mächtig sind. Es ist wie ein roter Faden. Keine Beteiligung am Unterreicht, Hausarbeiten und Projekte werden mit ach und krach oder von jemand anderem geschrieben. Wie, bitte wie, soll man so Kurse bestehen oder Klausuren schreiben? Es scheint ein Ding der Unmöglichkeit aber es funktioniert. Die Vision 2020 wird dadurch realistischer aber kommt nicht mit sichtbaren Ergebnissen in der wirklichen Welt an. Auswendig gelernte Präsentationen, Detailverliebtheit, Inhalt gegen Null, fachspezifische Begriffe sind selbst in den höheren Semestern scheinbar Fremdwörter. Das ist das was eine Präsentation in Malaysia ausmacht. Es ist teilweise jenseits von Gut und Böse. 
Doch vielleicht ist es genau das was das Volk will. Die alten Strukturen und Denkweisen bewahren und sich nicht von der westlichen Welt beeinflussen lassen. Es scheint jedoch ein Ding der Unmöglichkeit, denn die Lehrbücher kommen aus Amerika. Hier wir beispielsweise gelehrt, dass Zypern irgendwo bei Schweden liegt, die Schweiz zur EU gehört und Frankreich als Zahlungsmittel den Franc nutzt. Das Wissen oder Unwissen der Studenten kommt aus EINEM Buch pro Kurs. Wiedersprechen ist nicht gern gesehen. Hierarchie gegen aufstrebende Jugend! Es scheint ein Teufelskreis. Und je weiter man schaut desto mehr sieht man wie beeinflusst dieses Volk ist. Sei es von Europa oder den USA. Werbeplakate mit westlichen Gesichtern sind an der Tagesordnung. Die Menschen werden sozusagen gezwungen westlich zu sein oder sich damit zu identifizieren. Aber sie sind es nicht. Malaysia, eines der am Meisten muslimisch geprägten Länder ist einfach nicht westlich. Es ist was es ist und genau das ist das Richtige.
Auch wenn der Westen ihnen Arbeit gibt und somit auch die Wirtschaft ankurbelt besteht die Nation aus alten Werten. Eine Kultur die sich weiterentwickelt aber ihre Wurzeln nie vergisst. Das ist etwas was in unseren Breitengraden/ Längengraden oftmals in Vergessenheit gerät. Wer sind wir überhaupt? Was macht uns aus? Malaysia ist ein Paradebeispiel dafür, dass kulturelle Freiheit, Politik und Wirtschaft auch miteinander funktionieren können. Sicherlich wird das Land den Absprung zur Industrienation schaffen. Nur wird es länger dauern als 2020.
Wie schon in Borneo gesehen ist dort die Dichte an Industrie am größten. Jedoch auch in Penang siedeln sich immer mehr große und internationale Firmen an, die hier produzieren. OSRAM, WesternDigital, Bosch,… Es ist nur zu hoffen, dass sie bei all der Industrialisierung nicht ihre wundervolle Natur vergessen. Unbeschreibliche Regenwälder (die ältesten der Welt), abgelegene Inseln, wundervolle Strände, traumhafte Unterwasserwelt.
Liebes Malaysia, ich wünsche dir von Herzen, dass du den Spagat schaffst, dir dein Kultur und deine Natur zu bewahren! Und danke Jith für das offene Gespräch und diesen Einblick, der das Puzzle zusammengefügt hat…

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen